8 Fragen – 8 Antworten im Ausbildertalk mit Jessica Reiner vom Landratsamt Fürstenfeldbruck
Name: Jessica Reiner Position: Recruiterin in einer Behörde (offizieller Titel: Sachbearbeiterin im Referat 16 für Stellenbesetzung und -entwicklung) Firma: Landratsamt Fürstenfeldbruck / öffentlicher Dienst / Kommunale Beschäftige TVÖD VKA Ausbildungsberufe: Beamtenanwärterinnen und Anwärter, Verwaltungsfachangestellte, Fachinformatiker, Duales Studium Soziale Arbeit Anzahl der Auszubildenden: ungefähr 42 |
1. Frau Reiner, Sie sind im letzten Jahr als Ausbilderin vom Mittelstand (Handwerk) in den öffentlichen Dienst gewechselt: Gab es hier Gründe, die Ihnen nun auch helfen, Jugendliche von einer Ausbildung bei Ihnen zu überzeugen? Und wenn ja, welche?
Ich bin hier im Landratsamt nur noch für die „Erwachsenen“ zuständig, arbeite aber im gleichen Referat eng mit der Ausbildungsleitung zusammen, wir tauschen uns über Themen aus und gehen gemeinsam auf Berufsmessen und haben auch sonst viele Überschneidungen.
2. Gibt es noch weitere Gründe, die aus Ihrer Sicht für den öffentlichen Dienst sprechen und bei der Generation Z gut ankommen?
Als ich mich mit der Behörde beschäftigt habe, um sie für mich als potenziellen Arbeitgeber zu scannen, ist mir schnell aufgefallen, dass viele der Dinge, die heute junge Leute von ihrem Job erwarten, im öffentlichen Dienst bereits gelebt werden. Wie aktiv ist sicher von Behörde zu Behörde unterschiedlich.
Aber im Tarifrecht sind viele Themen zur Fairness und zum Gesundheitsschutz bereits geregelt, ohne dass ich diese extra verhandeln müsste. Der Personalrat (das Pendant zum Betriebsrat in der freien Wirtschaft), der auch im Recruiting mein vertrauensvoller Partner ist, setzt sich für diese Rechte ein, berät, vermittelt und interveniert auch schon mal. Dinge wie Teilzeit, Einhaltung der Arbeitszeit, sammeln und Abbau von Überstunden, Gesundheitsangebote, Datenschutz, Förderung der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Inklusion und familienfreundliche Angebote wie eine eigene Kinderferienbetreuung, Kinderzuschuss und Homeoffice-Regelungen sowie Gehaltstransparenz durch die für jeden einsehbare Tariftabelle sind Grundpfeiler. Wir haben, sicher auch durch die familienfreundlichen Angebote, eine Frauenquote von 60 %, durch alle Ebenen.
Vor allem Gehaltstransparenz ist gerade ein stark diskutiertes Thema, weil ab 2026 Gehälter in Ausschreibungen angegeben werden sollen. Im öffentlichen Dienst heute schon ganz normal. Meine Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind mit der Eingruppierung verknüpft, dann gibt es noch eine Abbildung der Erfahrungsjahre, für jeden und jede gleich, transparent und fair. Keine Genderpaygap. Das ist für mich gelebte Gleichberechtigung. Auch Inklusion ist ein Thema in meinem Recruiting-Prozess, was in nächster Zeit noch stark an Bedeutung gewinnen wird. Auch hier gibt es sicher viele betroffene Jugendliche, für die ein Hineinkommen in Betriebe durch ein Handycap erschwert wird. Sie finden bei uns im öffentlichen Dienst – vorausgesetzt die Eignung stimmt – einen guten Platz, mit dem sie ihre Zukunft planen können, Stichwort Sicherheit.
Auch der regionale Charakter als einer der größten Arbeitgeber im Landkreis Fürstenfeldbruck bringt uns einiges an Zulauf, auch die Kids orientieren sich nicht mehr so nach München.
Diese Themen resonieren stark mit meinen eigenen Werten und ich weiß, dass der „Purpose“ in der Arbeitswelt bei jungen Menschen ein entscheidender Faktor ist, der vielmehr heute für sie schon zu den Hygienefaktoren als zu den Extras gehört. Was die Sinnhaftigkeit angeht, kann die „Arbeit für Alle“ sich ganz vorn platzieren.
3. Was haben Sie in der Behörde in der Ausbildung angetroffen, was Sie als gut empfunden haben und auf alle Fälle beibehalten werden?
Mir gefällt, dass es für die Auszubildenden zwei feste Ansprechpartner/innen gibt, die bei allen Belangen helfen, bei der Planung unterstützen und sich auch die Sorgen und Nöte der Jugendlichen anhören. Die Azubis und Anwärter/innen haben ein eigenes Zimmer, wo sie sich zurückziehen, lernen, Pause machen oder einfach mal in den gemeinsamen Austausch gehen. Das stärkt die Bindung untereinander enorm.
4. Was sind die größten Herausforderungen bei der Ausbildung im öffentlichen Dienst, und wie gehen Sie damit um?
Am meisten zu kämpfen haben wir wie alle anderen Organisationen auch mit dem Anwerben von jungen Leuten. Hier mit der besonderen Herausforderung, dass die Arbeit im öffentlichen Dienst, vor allem in einer Behörde, mit vielen Vorurteilen behaftet ist; langweilig, spröde, keine modernen Führungsstile, alles auf Papier und so weiter. Ich kenne diese Herausforderung schon aus dem Handwerk, es ist ein immerwährendes präsent sein, für sich werben, Stärken herausstellen, Menschen von sich begeistern. Man muss sich mit ins Spiel bringen, damit die Ausbildung im öffentlichen Dienst überhaupt in Erwägung gezogen wird. Dazu muss man sagen, dass häufig öffentliche Ausbilder noch nicht glänzen mit einer guten Ausbildungsoffensive. Aber es tut sich was, und einige lassen sich mit modernen Kanälen auch schon richtig was einfallen (z.B. das Bundesverwaltungsamt, der Kanal der Berliner Polizei usw.).
5. Ausbilder sollten … sein.
Wer junge Menschen ausbildet, braucht auf jeden Fall Geduld und Lust, sich mit der Lebenswirklichkeit der jungen Leute zu beschäftigen. Die Führungsstile von früher funktionieren heute einfach nicht mehr; was ich sehr begrüße. Ein von oben Herunterdeligieren hat für mich in normalen Arbeitsumgebungen nichts mehr zu suchen. Wir haben jetzt nach Corona wieder angefangen, unsere Führungskräfte in den neuen Methoden zu schulen, auch die frisch eingestellten Kolleginnen und Kollegen, die neu zu uns stoßen, werden gleich in das neue Führungskräfteprogramm mit aufgenommen. Ich halte das für eine gute Idee, auch wenn es dauernd wird, bis sowas komplett in die DNA einer Organisation eingeht.
6. Welchen Ratschlag würden Sie neuen Ausbildern im öffentlichen Dienst geben?
Zeigen Sie den jungen Menschen, dass viele der Vorurteile im öffentlichen Dienst nichts anderes als das sind, bleiben Sie aber auch authentisch und umschiffen Sie die Herausforderungen in einer Behörde mit Humor und Geduld, seien Sie ein Vorbild.
Es hilft sehr, wenn Sie von Ihrer eigenen Arbeit begeistert sind und versuchen, diese Begeisterung auf Ihre Schützlinge zu übertragen. Auf junge Leute wirken Vorbilder ganz besonders stark.
7. Was kann der öffentliche Dienst von der freien Wirtschaft lernen?
Aus gewissen Gründen, die wohl historisch bedingt sind, ist der öffentliche Dienst einfach etwas behäbiger, mache Dinge dauern gefühlt eine Ewigkeit, bis sie entscheidungsfähig sind und die Entscheidungen werden leider nicht immer transparent dargelegt, was aus einer Zeit kommt, wo der Dienstweg noch eine große Rolle gespielt hat und das „Fußvolk“ nur die ausführende Kraft war. Hier kann ganz klar eine agilere Prozesskultur entstehen.
Bürokratie ist ein großes Thema, auch für Betriebe. Sie ist manchmal herausfordernd und nicht so sexy, aber sie dient im öffentlichen Sektor einem wichtigen Zweck: der Sicherstellung von Rechtsstaatlichkeit und Fairness. Als Mitarbeitende/r einer Behörde haben wir die Möglichkeit, direkt an der Gestaltung des Umfelds unseres Landkreises und am guten Zusammenleben in der Region mitzuwirken, die das tägliche Leben aller Bürgerinnen und Bürger beeinflussen. Das finde ich eine starke Motivation, die innovativen Unternehmen, die tolle Produkte entwickeln, in der Relevanz für die Gesellschaft in nichts nachstehen.
Behörden sind aber entgegen der landläufigen Meinung keine eingefrorenen Institutionen, sondern reagieren auf Veränderungen in der Gesellschaft, suchen ständig nach neuen Lösungen, um effizienter zu arbeiten und den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden. Darin sind wir vielleicht nicht so kreativ und haben nicht so viel Spielraum wie die freie Wirtschaft.
Wir sind zum Beispiel gerade Testlandkreis für die neue Bezahlkarte für Asylsuchende. Die Kommunen setzen ohne großen Verhandlungsspielraum die Neuerungen aus Berlin um, was sicher ein Kraftakt in vielen Bereichen ist. Diese relevanten Aufgaben darf man nicht unterschätzen, wenn man den öffentlichen Dienst und die freie Wirtschaft vergleicht.
Quereinsteiger haben es allerdings etwas schwerer im öffentlichen Dienst, da der Regel-Jungle schon mal überfordern kann. Hier könnte der ÖD nachbessern, um für diese Personengruppe attraktiver zu werden und die Absprungquote zu minimieren. Hier sind viele Firmen schon weiter, allein weil der Fachkräftemangel sie dazu antreibt.
8. Was kann die freie Wirtschaft vom öffentlichen Dienst lernen?
Beim Thema Familienfreundlichkeit, Inklusion und Gesundheitsschutz können sich Unternehmerinnen und Unternehmer sicher einiges abschauen. In meiner Bewerbungsphase war meine Teilzeitarbeit immer wieder Thema, führte sogar zu Absagen. Beim Landratsamt war stand das nie zur Debatte.
Auch die für (fast) alle Mitarbeitenden festgelegte Vereinbarung fürs Homeoffice finde ich fair und auch, wenn das einigen Führungskräften nicht passen sollte, wird es gemacht.
Die Verknüpfung mit den Aufgaben und Verantwortlichkeiten beim Gehalt finde ich für die freie Wirtschaft ein interessantes Konzept, was sich sicherlich einige schon zunutze gemacht haben, mit angelehnten Verträgen oder eigenen Konzepten.
Außerdem gibt es zu fast allen Themen Regeln und Prozesse, das ist für viele Menschen in der Arbeitswelt sehr wichtig. Dafür sind kreative Köpfe in der freien Wirtschaft oft besser bezahlt und können eigene Ideen oft schneller umsetzen. Ist aber im öffentlichen Dient erstmal etwas initialisiert, wird es auch umgesetzt und steht rechtssicher und verlässlich zur Verfügung.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Reiner.
Mit Jessica Reiner gibt es übrigens schon einen Ausbildertalk, als sie noch bei Ihrem früheren Arbeitgeber, der Trane GmbH, war.
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